Spielen verbindet Jung und Alt

Dass Seniorinnen und Senioren in die Molitoris-Schule kommen, um gemeinsam mit den Schülerinnen und Schüler zu kochen oder einfach nur einen unterhaltsamen Vormittag anlässlich einer Adventsfeier oder eines Frühlingsfestes in die Schule zu verbringen, ist mittlerweile für alle zu einer willkommenen Selbstverständlichkeit geworden. Als im vergangenen November Seniorinnen aus dem Seniorenwohnpark aus Giesen zu einem Spielevormittag mit gemeinsamen Mittagessen zu Gast in der Molitoris-Schule waren, ist über die Berichterstattung der Schule auch die Hildesheimer Allgemeine Zeitung darauf aufmerksam geworden. Der Journalist Norbert Mierzowsky bat um eine Einladung zum nächsten Spieletag von Jung und Alt und so ist der nachfolgende Artikel entstanden, der am Donnerstag, 15. Februar 2018 in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung erschienen ist.

„Auch wenn geschummelt wird – der Respekt voreinander bleibt” (von Norbert Mierzowsky)

Molitoris-Schüler üben Umgang mit älteren Menschen

Eigentlich ist Dean an der Reihe, doch Aaron legt trotzdem seine passenden Steine an die Zahlenreihe. Waltraud Strautz rollt innerlich mit den Augen, dann lächelt sie ihn nur an: „Eigentlich bist du gar nicht dran.” Mittwochvormittag in der Molitoris-Schule in Harsum. 18 Fünftklässler haben sich an die sechs Tische verteilt, an denen ihre Gäste Platz genommen haben. Sechs Frauen aus dem Seniorenwohnheim Giesen, jede von ihnen mehr als 80 Jahre alt. Ihre 86 Jahre merkt man Waldtraud Strautz nicht an. Sie führt heimlich Regie an dem Tisch mit den drei Jungs. „Ist schon ganz schön durcheinander, wie die Rummicub spielen”, sagt sie. Und auch die Schule ist nicht mehr das, was sie mal war, fügt sie hinzu: „Irgendwie ist das hier alles ganz locker…”. Der zwölfjährige Dean hat noch seine Großeltern, sogar eine Ur-Oma, erzählt er: „Wir spielen Mühle, da zieht die mich immer ab. Wenn ich gewinnen will, muss ich schummeln.” Irgendwie sei es aber schön, mit „so alten Leuten” zu spielen: „Die nehmen sich richtig Zeit und sagen wenig Nein.”

Nach einer Stunde kündigt Klassenlehrerin Britta Wirths die Mittagspause an. Ohne Kommentar flitzen die Fünftklässler in die Schulmensa und holen das Essen. Als erstes für ihre Gäste. Kein Gerenne, kein Geschrei, keine ermahnenden Lehrerworte. Einfach ein ruhiges Mittagessen. Simon Voges nickt. Der junge Religionslehrer hat sich das Projekt mit den Spieltagen ausgedacht, „Irgendwie haben die Kinder einfach Respekt vor den alten Menschen”, sagt er.

Den Anstoß gegeben hatte Melanie Lawrenz vor acht Jahren. Sie unterrichtet im Fach Gesundheit und Soziales. Am Anfang gab es einen Besuchsaustausch mit einem Heim, zweimal pro Jahr. Mittlerweile gibt es Kochprojekte mit allen Klassen, Besuche im Heim in kleinen Gruppen, Interviews mit den Älteren, um deren Leben besser kennenzulernen, auch deren eigene Kindheit, Auftritte der Musical-AG und gemeinsame Weihnachtsfeiern – im Heim und in der

Schule. Mehr als 60 Schüler haben sich im vergangenen Jahr an den Aktionen beteiligt, Partner sind Heime in Harsum, Giesen und Algermissen.

Und es soll nicht bei den Begegnungen bleiben. Die Kinder befassen sich zum Beispiel mit Schulordnungen aus dem 19. Jahrhundert oder fragen ihre Gäste einfach, was ihnen auf dem Herzen liegt. „Die sind ganz schön wissbegierig”, sagt die 86-jährige Elfriede Schmitzer, „aber sie können nicht fassen, was wir erlebt haben, den Krieg, die Flucht.”

Um14.30 Uhr werden die Gäste zum Bus gebracht, dann geht es zurück in die Klasse, um den Tag zu besprechen, sich zu erzählen, was man Neues erfahren hat. „Es gibt auch Unsicherheiten”, sagt Voges. Neulich sei eine Seniorin in Tränen ausgebrochen: „Die Schüler waren ganz irritiert.” Erst hinterher hat sich herausgestellt, dass sie sich einfach gefreut hat, dass so viele Kinder um sie herum waren.